Die Schweiz ist immer für Überraschungen gut. Das dachte ich, als ich mit meinem Gatten für ein Wochenende in die Zumthor-Therme zum «Wellnässen» fuhr.
Der Gatte schwärmte von der Architektur, ich vom Sechsgänger ohne den Jüngsten. Komplett kenntnisfrei in Sachen Design und Architektur, bereitete mich auf Grosses vor. Nach 14 Kilometern zwischen
Felsen gab es dann erst mal einen Rückschlag auf meiner Lernkurve: Die Landschaft gab endlich den Blick frei auf die Flaschen der Valserwasser-Produktionsanlagen. Ton in Ton mit meiner
Gesichtsfarbe.
Dann endlich folgten Therme und Hotel. Und die sind offensichtlich das Mekka für Architekten. Nie sah ich so viel schwarz gekleidete Herren mit Kaschmirpullovern und farblich abgestimmten
Rundbrillen. Nachdem ich die dunkle Pracht der Therme bewundert hatte, erwartete ich Ähnliches vom Hotel, nur um mich in einem Zimmer wiederzufinden, das den Charme der DDR mit Nouvelle Cuisine
in Sachen Ausstattung paarte: spärliche Möbel, weisse Sessel im Marshmallow-Look gepaart mit Omas altem Teppich, spintähnliche Metallschränke und Musikanlage statt Fernseher. Mitten in dem
Zahnarztpraxisweiss ein einziges Bild so gross wie ein halbe Postkarte.
Das ist er nun also, der Schamane unter den Architekten, platzt es aus mir heraus, bevor ich mitten im Raum über eine weisse Stufe falle. Ein Zugeständnis an die alte Bausubstanz. Ein Blick des
Gatten, als hätte ich im Louvre die Mona Lisa angefasst. Aber nein, ich bin am Lernen: Die Stufe empfinde ich bereits als irgendwie unästhetisch und schaue dann doch fern – durch die grossen
Fenster bis zum nächsten Berg. Ich habe die Valser im Verdacht, dass sie extra regelmässig am Tag mit exakt drei Kühen den Berg rauf- und runterlaufen. Sie gehen spazieren, denn leben tun sie
hauptsächlich von ihren Investitionen. Mit Coca-Cola als Besitzer des Valserwassers, dem Valser Steinüberfluss und den Thermen.
Schliesslich hat das Gemeindegebiet die gleiche Fläche wie Liechtenstein. Es ist einfach abgelegener und so kam zwar die Reformation nie dort an, dafür aber andere Ideen:
In Vals steht ein preisgekröntes unterirdisches Haus. Erschaffen von zwei holländischen Architekten, denen man einen oberirdischen Bau verweigert hatte. Die Valser holten sich die Finanzhaie in
ihre Thermenbecken und gaben schliesslich einem von ihnen die Bewilligung, sie aus der Unterhaltsmisere zu retten, welche die Therme mit sich brachte. Der ausschlaggebende Faktor für den
Entscheid soll eine erweiterte Sportanlage für die Jugend gewesen sein. Letztlich klären kann das nur ein Valser, und ob man es dann als Nicht-Valser auch versteht, ist offen.
Mir bleibt die Erinnerung an eine kultig-hochprofessionelle Idylle der Ruhe mit circa 100 deutschen und portugiesischen Wellnessengeln, die Wunder vollbringen. Sie geben einem nämlich das
Gefühl, man sei in einer urschweizerischen Bergidylle angekommen. So funktioniert Globalisierung auf helvetisch.