von Fabio Halbeisen
Seit Montag hat die Politikwissenschaftlerin und Ökonomin Petra Huth die Geschäftsführung der Stiftung Dialog inne. Diese wurde vor 30 Jahren von diversen Bundesparlamentariern verschiedener
Parteien gegründet. Ziel ist es, die politische Bildung der Jugendlichen in der Schweiz zu fördern. Dafür wurde das Projekt «Campus für Demokratie» ins Leben gerufen, das die 43-jährige Anwilerin
leitet.
«Volksstimme»: Frau Huth, warum braucht es den «Campus
für Demokratie»?
Petra Huth: Der Grundgedanke liegt darin, dass die Schweiz als direkte Demokratie darauf angewiesen ist, dass sich die kommende Generation am politischen System beteiligt. Dies basierend auf
guten Kenntnissen. Innerhalb verschiedener internationaler Ländervergleichsstudien wurde jedoch festgestellt, dass die Jugendlichen in der Schweiz unter dem Mittel der 28 untersuchten Länder
liegen, und zwar sowohl was das Wissen über Politik als auch das Interesse an politischer Teilhabe angeht. Viele Jugendliche glauben auch nicht, dass sie durch Partizipation etwas bewirken oder
ändern können. Der «Campus für Demokratie» will deshalb die politischen Kompetenzen der Jugend permanent und strukturiert fördern.
Warum ist es heute schwieriger als früher, die Jugend für die Politik zu gewinnen?
Früher hat man abgestimmt oder gewählt, auch wenn man sich nicht umfänglich mit dem Sachthema befasst hat. Es gehörte sich so, man wollte sich korrekt verhalten. Das haben die Jugendlichen dann
auch so gehandhabt. Heute wird dies nicht mehr so streng genommen, weshalb weniger Jugendliche aktiv am politischen Geschehen teilhaben. Hinzu kommt, dass man in der Pubertät noch andere Sorgen
hat, als den Abstimmungszettel auszufüllen.
Welche Rolle nimmt das Elternhaus in dieser Phase ein?
Die Eltern nehmen eine zentrale Rolle ein. Die Sozialisierung über das Elternhaus ist sehr wichtig, auch auf das politische Verhalten bezogen. Wenn am Abendtisch über politische Themen diskutiert
wird, entwickeln die Jugendlichen ein politisches Bewusstsein. Ist dies nicht der Fall, wird es entsprechend schwieriger. Dann stellt sich die Frage, wie man diese Jugendlichen anders abholen
kann. Hier ist auch die Schule gefragt, daher ist eines unserer Hauptziele, dass die politische Bildung schweizweit fester Bestandteil der Lehrpläne wird.
Sie nehmen die Schulen in die Pflicht. Sind diese denn nicht
bereit, den Schülern unser politisches System zu erklären?
Der Wille ist schon da, doch es gibt mehrere Problemstellen. Die Umsetzung des Rahmenlehrplans für die Volksschulen der Romandie enthält beispielsweise solche Ziele, doch es fehlen aktuelle
Lehrmittel. In der Deutschschweiz ist es umgekehrt: Grundlagen und Materialien wären vorhanden, aber die Verankerung in den Lehrplänen ist zu schwach. Wir versuchen, dies zu ändern. In den
Schulen wird bereits viel gemacht, was das soziale Lernen angeht. Es wird jedoch zu wenig ans Thema Politik angebunden.
Mit welchen Methoden versucht der «Campus für Demokratie» die Lücken in der politischen Bildung zu füllen?
Der «Campus für Demokratie» ist eine Plattform in Entwicklung. Wir arbeiten als Stiftung mit verschiedenen Partnern zusammen und unterstützen gemeinsam Projekte. Wir stehen beispielsweise in
engem Kontakt mit der «infoclick» Kinder- und Jugendförderung Schweiz und dem Dachverband der Schweizer Jugendparlamente. Der Dachverband hat unter anderem das Projekt «Easyvote» ins Leben
gerufen. Dazu kommen noch weitere Standbeine wie beispielsweise das Projekt «Jugend debattiert».
Was beinhalten die Projekte «Easyvote» und «Jugend debattiert»?
«Easyvote» ist eine vereinfachte Form des Abstimmungsbüchleins, geschrieben von Jugendlichen für Jugendliche. So werden die Sachthemen in verkürzter Form dargestellt, was die jungen Erwachsenen
dazu animieren soll, über diese Themen abzustimmen. «Jugend debattiert» ist ein Projekt unserer Stiftung Dialog, das Jugendliche in Rede, Gegenrede und Debatte schult und auf diese Weise die
sprachliche und politische Bildung fördert.
Der «Campus für Demokratie» ist ein nationales Projekt. Wie wollen Sie die französische und die italienische Schweiz ins Projekt
einbeziehen?
Wir sind mit der Stiftung in der ganzen Schweiz vertreten. In der Romandie und im Tessin herrscht eine andere politische Kultur, das politische Selbstverständnis ist dort stärker verankert als in
der Deutschschweiz. Hier baut man in kantonal unterschiedlichem Ausmass noch auf den klassischen Staatskundeunterricht, der nicht wirklich eine Anleitung zu politischer Teilhabe ist. In der
Deutschschweiz muss man also stärker an der Sensibilisierung arbeiten als in der lateinischen Schweiz, wo man schon weiter ist.